Gerhard Dane aus Kaster, Pfarrer in Ruhestand, hat uns in seiner Gastbeitragsserie für die Bedburger Nachrichten bereits interessante Einblicke in das Leben sowie die Wertevorstellung der jüdischen Kultur gegeben. In seinem neusten Gastbeitrag erklärt er uns nun, woher der Name des über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Ricarda-Marktes kommt und welche Geschichte sich dahinter verbirgt.
Wenn am ersten Wochenende im Juli wieder von nah und fern Hunderte und Tausende nach Bedburg kommen, werden doch manche fragen: Warum dieser Name? Eine Kurzantwort: So hieß vor über 700 Jahren die Frau, ohne die das kostbare Städtchen in dieser Stadt wohl nicht erhalten wäre. Auf einer Wanderung durch Nideggen im Spätsommer 2021 entdeckte ich in der wunderschönen romanischen Kirche, die dem Täufer Johannes geweiht ist, gleich am Eingang ihr Grabmal: In einem langen, schlichten Gewand liegt sie da, mit vor der Brust gefalteten Händen neben ihrem Ehemann Graf Wilhelm IV. Aus dem roten Sandstein des Berges, auf dem auch die benachbarte Burg erbaut ist, wurde wohl Ende des 13. Jahrhunderts dieses Grabmal geschaffen.
Ricarda ist die spanische Form des Namens, den man (laut Wikipedia) mit „entschlossene, mächtige Herrscherin“ übersetzen kann. Geboren wurde Ricarda als jüngstes Kind von Graf Gerhard IV. von Geldern und seiner Frau Margareta von Brabant. Die beiden hätten 1206 geheiratet. Da war Margareta erst elf Jahre alt. Als sie schon mit 36 Jahren starb, hatte sie vier Kinder zur Welt gebracht. „Unsere“ Ricarda gebar mindestens neun Kinder, fünf Söhne und vier Töchter.
Der Vater, ihr Wilhelm, war einer der bedeutendsten Jülicher Grafen. Es gelang ihm, sein Territorium zu vergrößern und zu stabilisieren. Wie seine Vorgänger residierte er auf der Burg Nideggen, die hoch über dem Rurtal besonders gut zu verteidigen war.
Der 16. März 1278 wurde dann ein schlimmer Tag in Ricardas Leben: Ihre beiden ältesten Söhne, Wilhelm und Roland, begleiteten ihren Vater Graf Wilhelm nach Aachen. Da sollten sie für König Rudolf von Habsburg Steuern eintreiben. Es kam zu einem Aufruhr, bei dem alle drei erschlagen wurden.
Dieser schreckliche Schicksalsschlag brachte Ricarda in eine eher untypische Position: Für die nächsten Jahre führte sie die Regierungsgeschäfte der Grafschaft, da ihre jüngeren Söhne wohl noch minderjährig waren. Eine solche Regentschaft war für Frauen – nicht nur im Mittelalter – eine der wenigen Möglichkeiten, formale politische Herrschaft auszuüben, zumindest als Stellvertreterin für die zeitweise unpässliche männliche Erbfolge. Erst 1283 übernahm Walram, ihr Drittgeborener, der eigentlich für eine geistliche Karriere vorgesehen war, die Nachfolge seines Vaters. Da war die Mutter zwischen Mitte fünfzig und Anfang sechzig. So schrieb mir Luzia Schlösser, die Leiterin des Burgenmuseums in Nideggen, und fuhr fort: „Ihren Lebensabend verbrachte sie vermutlich nicht auf Burg Nideggen, sondern auf Burg Kaster. Diese war 1278 zerstört worden, als nach dem Tod Wilhelm IV. Truppen des Kölner Erzbischofs Siegfried von Westerburg in die Jülicher Besitzungen einfielen. Im ‚Pfingsheimer Frieden` vom 14. Oktober 1279 wurde unter anderem bestimmt, dass Ricarda als Witwe des Jülicher Grafen die Burg Kaster wieder aufbauen lassen und als zukünftigen Witwensitz nutzen durfte.“
Witwensitz und gleichzeitig Grenzbefestigung blieb die Burg Kaster für lange Zeit. Sie galt als eines der staatlichen Schlösser im Land noch im 15. Und 16. Jahrhundert, mit prachtvoller Hofhaltung. Im letzten Jahr des Dreißigjährigen Krieges, 1648, wurde sie wieder zerstört. Ihre Ruinen an der Mühlenerft lassen uns heute den alten Glanz kaum noch erahnen. Umso mehr dürfen wir uns freuen, dass die ehemals kleine Burgsiedlung, 1313 zur Stadt erhoben, uns erhalten blieb.
Am 5. Juni 1288 kann man sich Ricarda wieder einmal zu innigem Gebet in der Burgkapelle zu Kaster vorstellen: Ihre Söhne Walram und Gerhard waren mitgezogen in die „blutigste Ritterschlacht des Mittelalters“ bei Worringen, nördlich von Köln. Erzbischof Siegfried, der zehn Jahre vorher ihre Burg Kaster hatte zerstören lassen, war der mächtige Gegner!
Ricardas Gebet wurde erhört: Ihre Söhne kamen heil zurück zu ihr und der Erzbischof musste für ein Jahr in Gefangenschaft auf Schloss Burg an der Wupper beim Grafen von Berg. Danach durften er und seine Nachfolger bis in das 19. Jahrhundert nicht mehr in Köln residieren. Sie mussten in Bonn und Brühl neue Wohnsitze bauen. Graf Walram starb 1297. Da wurde sein Bruder Gerhard V. Graf von Jülich. Ricarda stiftete mit ihm auf einem Grundstück der Familie in Köln an der Nordwestecke der römischen Stadtmauer ein Klarissen-Kloster.
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